Abendschule - Vergleichendes Sehen. Heute (I)

 

 

3. Dezember 09

 

 

Abendschule
Vergleichendes Sehen. Heute
Di + Do, 19 – 20.30 Uhr

Vergleichend zu sehen bedeutet dialogisch wahrzunehmen, sinnlich zu erfassen und visuell zu denken. Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelte der schweizer Kunsthistoriker Heinrich Wölfflin das Vergleichende Sehen als kunsthistorische Praxis. Erstmals wurden Abbilder von Kunstwerken in einem dunklen Raum von zwei Diaprojektoren nebeneinander an die Wand geworfen. Die seinerzeit revolutionäre Herangehensweise ist, trotz PowerPoint, bis heute gängige Methode in der Kunstgeschichte. Die Abendschule holt nun diese wissenschaftliche Praktik in den Ausstellungskontext, befreit sie vom doktrinären Gebrauch und stellt die Vorgehensweise in Frage. Sie fordert zu unerwarteten Versuchsanordnungen auf und gibt Raum für die Methodik stützende oder stürzende Vergleiche.

I.
Charlotte Klonk: Sehen im Museum
Beatrice von Bismarck: Vorher – Nachher
03.12.2009, 19 Uhr

Charlotte Klonk: Sehen im Museum
Wie Brian O'Doherty schon 1976 bemerkt hat, ist der andachtsvolle Betrachter vor einem einzelnen Meisterwerk in der sakralen Stille eines im sanften Weiß zerfließenden Ausstellungsraumes die größte Museumsphantasie des 20. Jahrhunderts. Trotz steigender Besucherzahlen und Blockbusterzwänge träumt noch heute so mancher Museumsdirektor von diesem Ideal. Ein Blick in die zweihundertjährige Vergangenheit der öffentlichen Kunstausstellungen zeigt jedoch, dass man ohne vergleichendes Sehen nicht auskommt. Welche Arbeit aber auf welche trifft und wie diese gehängt oder gestellt sind, ist von zeitbedingten und nicht selten unbewussten Sehgewohnheiten abhängig. Diesen auf den Grund zu gehen, lohnt sich, denn sie bestimmen das Seherlebnis im Museum mindestens ebenso stark wie jede individuell gesuchte Zwiesprache mit einem einzelnen Werk.

Charlotte Klonk lehrt seit 2006 Kunstgeschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin. Sie war Kuratorin im Museum für zeitgenössische Kunst in Gent, anschließend Research Fellow in Oxford und Lecturer an der University of Warwick. 2005/06 kam sie als Fellow an das Wissenschaftskolleg zu Berlin. Gerade ist ihr jüngstes Buch Spaces of Experience: Art Gallery Interiors from 1800 to 2000 (2009) bei Yale University Press erschienen.

Beatrice von Bismarck: Vorher – Nachher
Die Blickbewegung von einem Bild zum anderen und zurück will das Betrachtete nicht selten selbst in Bewegung versetzen und ihm eine – modernistisch verstandene – Entwicklungsdynamik unterschieben. Im Sinne eines „Vorher-Nachher“ rückt dabei das Fehlende als ausschlaggebendes Kriterium in den Vordergrund. Was, wenn sich genau das Fehlende dem Blick entzieht?

Beatrice von Bismarck ist Professorin für Kunstgeschichte und Bildwissenschaft an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig. Von 1989 bis 1993 war sie am Städelschen Kunstinstitut, Frankfurt/Main, in der Abteilung „20. Jahrhundert“ tätig. Zwischen 1993 und 1999 lehrte sie an der Universität Lüneburg und war Mitbegründerin und -leiterin des Kunstraum der Universität Lüneburg. Seit 2000 ist sie Programmleiterin der Galerie der HGB Leipzig sowie Mitbegründerin und -leiterin des
/D/O/C/K-Projektbereichs. 2009 initiierte sie den Studiengang „Kulturen des Kuratorischen“.

Im Rahmen der Ausstellung For the Use of Those Who See 

Mit freundlicher Unterstützung der Schering Stiftung und des Hauptstadtkulturfonds, Berlin.

Herzlichen Dank an den Lette-Verein für die Bestuhlung.