Auftragsarbeiten

 

 

Neben ihrem Ausstellungsprogramm produzieren die KW Institute for Contemporary Art kontinuierlich Auftragsarbeiten und erweitern so ihre Ausstellungspraxis über die Grenzen des Gebäudes hinaus. So entstanden in den vergangenen Jahren Auftragsarbeiten in den unterschiedlichsten Formaten – Carsten Höllers bekannte Rutsche Valerio II (1998) über Renata Lucas’ Intervention Kunst-Werke (Cabeça E Cauda De Cavalo, 2010) bis hin zu Dan Grahams Pavillon (1999), in dem sich das Café Bravo befindet. Die Auftragsarbeiten bilden eine andere Zeitlichkeit und Hingabe in Bezug auf den Produktionsprozess von Kunstwerken ab, indem sie Umgebung und Architektur beider Institutionen – der KW und der Berlin Biennale für Zeitgenössische Kunst – neu herausfordern.

 

 

Renata Lucas
Kunst-Werke (Cabeça E Cauda De Cavalo), 2010

 

Gehweg vor dem Eingangstor der KW

 

Foto: Uwe Walter

 

In einem Halbkreis um das Tor der KW verrückte Renata Lucas den Gehweg um 7,5 Grad gegen den Uhrzeigersinn. Die Arbeit mit dem Titel Kunst-Werke (Cabeça E Cauda De Cavalo), 2010 war Teil einer Reihe von Interventionen, die Renata Lucas im Rahmen ihrer Ausstellung als Preisträgerin des Kunstpreises der Schering Stiftung in den KW durchführte.

 

Albrecht Schäfer
Verkehrsschild #6, 2007

 

Auguststraße, vor dem Eingangstor

 

Foto: Uwe Walter

 

Albrecht Schäfers Verkehrsschild #6, 2007 wurde 2008 im Rahmen seiner Ausstellung in den KW installiert. Die Verkehrsschilder gehören zu einer Gruppe von Arbeiten, bei denen Alltagsmaterialien und -gegenstände so aus ihrer inneren Logik heraus transformiert werden, dass kein zusätzliches Material hinzugefügt werden muss. Die Verdrehung des Schildes ist ebenfalls eine Analogie auf die Bewegung und Beschleunigung des Verkehrs.

 

Philippe Van Snick
Dag/Nacht, 1984–ongoing

 

Eingangstor der KW

 

Foto: Frank Sperling

 

In seinem Werk setzt er sich oft mit dem Konzept der Zeit auseinander, genauer mit dem Dualismus von Tag und Nacht sowie dem Wechsel von Helligkeit und Dunkelheit, der dessen Vollzug markiert. Mit seiner Arbeit betont Van Snick dabei auch die empirische Beziehung zwischen den BetrachterInnen und ihrer Umgebung.

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Während der 1970er-Jahre entwickelte Philippe Van Snick (*1946 in Gent, BE) ein Interesse an systematischen Methodologien. Infolge dessen entwickelte er ein einheitliches Farb- und Zahlensystem, das die Grundlage für ein kohärentes Oeuvre der darauffolgenden Jahrzehnte bot. Für Van Snick handelt es sich bei Licht und Farbe sowohl um wissenschaftliche, objektive Beschreibungen wie auch um subjektive und auf unserer alltäglichen Erfahrung basierende Codes.

Bei der Infragestellung der Autonomie des Kunstwerks und der geometrischen Abstraktion als einer universellen Sprache geht es um gängige Anliegen der Moderne, die sich hier selbst zwischen den Bereichen der Malerei und der Skulptur verorten. Für die KW wird Van Snick seine Untersuchung des Dualismus von Tag und Nacht fortsetzen und am Eingangstor der Institution ein schwarzweißes Farbschema installieren.

 

Douglas Gordon

Letter (Number 1), 1991

 

An der Decke im vorderen Eingangsbereich

 

Foto: Frank Sperling

 

Das Werk mit dem Titel Letter (Number 1) empfängt den Besucher, wenn er durch die Toreinfahrt der KW kommt. Der Text „I am aware of what you are & what you do“ wurde erstmals während der 1. Berlin Biennale, 1998 in der Akademie der Künste und anschließend in den KW gezeigt. Der Schriftzug gehört zu einem Werkzyklus mit dem Titel Letters, die ab 1991 entstand.

 

Andrea Zittel

Dr. Jekyll and Mr. Hyde, 1998

 

Vorderhaus, 1. OG

 

Foto: Uwe Walter

 

Mit ihrer Arbeit markiert Andrea Zittel eine soziale Grenze. Die dunkle Schrankwand in einer typischen Berliner Altbauwohnung bildet eine Art Schleuse zwischen dem herrschaftlichen Wohnbereich und dem ehemaligen Bediensteten-Zimmer. So wird die längst nicht mehr zeitgemäße Funktion des Zimmers davor bewahrt in Vergessenheit zu geraten und der hierarchische Übergang visuell markiert. Dr. Jekyll and Mr. Hyde ist im Rahmen der ersten Berlin Biennale entstanden und seitdem im Vorderhaus der KW zugänglich.

 

Susan Philipsz
Rosa, 2002/2021

1-Kanal-Klanginstallation
Dauer: 1:40 Minuten

 

Lautsprecher über dem Eingang in den Innenhof

 

Foto: Lara Scherrieble

 

Susan Philipsz formt Klänge, die Erinnerungen und Emotionen auf außergewöhnliche Weise erschließen lassen. Philipsz entwickelt Klanginstallationen, deren mannigfaltige Schichten sich durch unsere Bewegungen und Betrachtung entfalten; ihre ortsspezifischen Arbeiten kreisen um Melancholie, Verlust und Trauer. 

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Aus einem über dem Eingang zum Innenhof der KW montierten Hornlautsprecher tönt in regelmäßigen Abständen Rosa. – eine Hymne, die an die deutsche Revolutionärin Rosa Luxemburg und ihren Mitstreiter Karl Liebknecht gemahnt und oft auf politischen Demonstrationen gesungen wird. Philipsz’ Stimme klingt weder klagend noch leidenschaftlich, vielmehr erinnert sie an einen intimen Moment, in dem wir jemandem lauschen, der nur für sich singt. Philipsz produzierte die Arbeit bereits 2002 während ihrer Residency in den KW; ab dem 15. Januar 2021, dem Jahrestag der Ermordung Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts im Jahr 1919, wird Rosa täglich um 12 Uhr im Hof der KW zu hören sein.

 

Auf, auf zum Kampf, zum Kampf
Zum Kampf sind wir geboren
Auf, auf zum Kampf, zum Kampf
Zum Kampf sind wir bereit
Dem Karl Liebknecht, dem haben wir’s geschworen
Der Rosa Luxemburg reichen wir die Hand

 

Wir fürchten nicht, ja nicht
Den Donner der Kanonen
Wir fürchten nicht, ja nicht
Die grüne Polizei
Den Karl Liebknecht, den haben wir verloren
Die Rosa Luxemburg fiel durch Mörderhand

 

Lukasz Surowiec

Berlin-Birkenau, 2012

 

Innenhof der KW

 

 

Die Birken im Hof der KW gehören zu einem „lebendigen Archiv“ des polnischen Künstlers Lukasz Surowiec, das aus hunderten von jungen Bäumen besteht, die aus der Umgebung des ehemaligen Konzentrationslagers Ausschwitz-Birkenau stammen. Anlässlich der 7. Berlin Biennale wurden diese Birkensetzlinge als symbolische Geste im gesamten Stadtraum verteilt. Dort werden sie an ihrem jeweiligen Bestimmungsort, der meist in historischer Verbindung zum Holocaust steht, zur Verkörperung der traumatischen Vergangenheit des Ortes.

 

atelier le balto 

Archipel, 2017

 

Innenhof der KW

 

Foto: hiepler, brunier

 

Die Garteninstallation Archipel (2017) wird die fünf „Pflanzenschiffe“, die aus Anlass der 9. Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst im Mai 2016 entstanden sind, aussplittern und in einen Archipel umwandeln. Sechs kleine Inseln begleiten die BesucherInnen durch den Hof bis zum neuen Eingang der Ausstellungsräume und dem Café Bravo. Sie scheinen wie verankert an den bestehenden Walnuss-, Zierapfel- und Kirschbäumen. Die Pflanzung vervielfältigt und entwickelt sich über den Sommer bis zum Herbst und dünnt im Winter wieder aus.

 

Dan Graham

Café Bravo, 1999

 

Innenhof der KW

 

 

Foto: Manuel Demanega

 

Das Café Bravo, von Dan Graham entworfen und in Zusammenarbeit mit der Architektin Johanne Nalbach realisiert, eröffnete im September 1998. Die Stahlkonstruktion der beiden gegeneinander verdrehten Kuben ist mit spiegelpoliertem Edelstahlblech verkleidet. Die Seitenflächen aus Einwegspiegelglas sowie die Decken aus transluzentem und opakem Glas wurden außen bündig eingesetzt. Dadurch sind vollflächige Körper entstanden, die mal transparent, mal als Spiegel erscheinen.

 

Judith Hopf
Stepping Stairs, 2018

 

Innenhof der KW, linke Fassade

 

Foto: Frank Sperling

 

Anlässlich der im Frühjahr 2018 präsentierten Einzelausstellung Stepping Stairs der Berliner Künstlerin Judith Hopf enstand Stepping Stairs – eine Auftragsarbeit, die dauerhaft an der linken Seite der Gebäudefassade verbleibt. In einem Hejduk’schen Sonnenvisier, kombiniert mit einer langen, roten Zunge und einem blonden Mopp aus Haaren, die wie ein Lichtstrahl in den Hof greifen, lässt sich ein verschmitzt-anthropomorphes Gesicht erkennen. Hopfs Geste der Animation des scheinbar Unbelebten entfaltet dessen Potenzial von Zweck und Handlungsfähigkeit.

 

Joseph Kosuth

Berliner Chronik, 1994

 

An der Wand gegenüber des Café Bravo

 

Foto: Jens Ziehe

 

Diese hier lesbaren Sätze hatte Joseph Kosuth zuerst 1994 im Rahmen der Ausstellung Berliner Chronik im Hof der KW installiert. Sie gehören zu einem konzeptuellen Werk Kosuths, für das er über neun Tage Zitate aus Werken Walter Benjamins an öffentlichen Orten in Berlin platzierte. Mehrere Jahre später, 1999/2000 wurde das Zitat, das aus Benjamins 1934 im Pariser Exil entstandenem Aufsatz Der Autor als Produzent stammt, permanent auf die Gebäudewand übertragen.

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„Man kann erklären: ein Werk, das die richtige Tendenz aufweist, braucht keine weitere Qualität aufzuweisen. Man kann auch dekretieren: ein Werk, das die richtige Tendenz aufweist, muss notwendig jede sonstige Qualität aufweisen. You can declare: a work that shows the correct political tendency need show no other quality. You can also declare: a work that exhibits the correct tendency must of necessity have every other quality.“

(Walter Benjamin)

 

Klaus Weber

Large Dark Wind Chime (Prototyp), 2008/2021

 

Fassade im Innenhof der KW

 

Foto: Frank Sperling

 

Large Dark Wind Chime ist ein 4,3 m hohes Windspiel aus schwarzem, gehärtetem Aluminium, das an der Fassade der KW Institute for Contemporary Art angebracht ist. Die einzelnen Glocken, die jeweils so groß wie Kirchenorgelpfeifen sind, erzeugen einen tiefen Bass, der in der Regel mehrere Minuten nachhallt. Seine Schwingungen erfassen – über das Gehör hinaus – den gesamten Körper, wobei die Töne wie fehlgeleitete Linien in einem Siebdruck zu oszillieren scheinen.

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Die Komposition von Large Dark Wind Chime basiert auf dem Tritonus, dem Diabolus in der Musik, der auch als Teufelsintervallbezeichnet wird. Diabolus in Musica ist lateinisch für der Teufel in der Musik und wurde zur Beschreibung eines musikalischen Intervalls verwendet, das aus drei Ganztönen besteht. Es ist mit der übermäßigen Quarte bzw. der verminderten Quinte vergleichbar und wird in der westlichen Harmonielehre häufig als Hauptintervall für Dissonanzen verwendet.

Im Mittelalter wurde der Tritonus von der Kirche verboten, weil das Intervall, wie es hieß, sexuelle Begierde wecken und damit den Teufel anlocken könne. In der Folgezeit war das Wissen um das Intervall von erheblichem Aberglauben getrübt und wurde in der konventionellen westlichen Kultur mit dem Bösen und dem Symbol des Anderen in Verbindung gebracht.

 

Large Dark Wind Chime wurde ursprünglich 2008 für die Wiener Secession entwickelt und in deren ikonischer Kuppel aus goldenen Blättern installiert, um eine Art Schaurigkeit über der Stadt Wien zu verbreiten. Im Jahr 2022 wird es für die KW adaptiert.

 

Klaus Weber (*1967 in Sigmaringen, DE) lebt und arbeitet in Berlin. In seiner medien- und raumübergreifenden Arbeit geht es um die bewusste Manipulation alltäglicher Strukturen, das Aufspüren von Abweichungen und die Erkundung des Unmöglichen – und um den Versuch, die metaphorische und tatsächliche Macht einer funktionalistischen Rationalität zu untergraben.

 

Sissel Tolaas

KWOPE_2021, 2021

 

KW Shop

 

Foto: Margarita Hermann

 

Anlässlich des 30-jährigen Jubiläums der KW hat Tolaas eine Edition von Seifen KWOPE_2021 kreiert, die sie aus dokumentierten und nachgebildeten Geruchsmolekülen des Gebäudes der KW, einer ehemaligen Margarinefabrik, gesammelt hat. 

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Sissel Tolaas ist eine Künstlerin und Pionierin auf dem Gebiet der wissenschaftlichen Erforschung von Gerüchen. Seit den 1990er Jahren widmet sie sich der Analyse verschiedener Facetten, Methoden und Intensitäten des Geruchs; durch ihre Forschung hat sie maßgeblich zum Wissen über und zur Kartografie von Gerüchen und deren Bedeutung für unterschiedliche Wissenschaften, Kunst, Design und andere Disziplinen beigetragen. Tolaas’ Arbeiten wurden im Rahmen zahlreicher Einzel- und Gruppenausstellungen sowohl national als auch international präsentiert. Bereits sehr früh war Tolaas’ künstlerische Praxis Teil der Aktivitäten der KW: 1993 stellte sie hier zum ersten Mal aus, 2004 folgte ihre Teilnahme an der 3. Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst.

 

Ian Wilson

Discussion (KW), 2017

 

Treppenhaus der KW

 

Foto: Sabrina Bernstetter

 

Die Arbeiten des Künstlers Ian Wilson weisen eine starke Ähnlichkeit mit dem zentralen Anliegen der KW auf: Wilson geht es um die Untersuchung der Beziehung zwischen dem Betrachteten – oder Diskutierten – und den BetrachterInnen ebenso wie um die Dringlichkeit derartiger Interaktionen. Seit 1968 widmet sich Wilson der gesprochenen Sprache als einer Kunstform. Er hat seine Arbeit zunächst  als „mündliche Kommunikation“ und später als „Diskussion“ bezeichnet. Auf Wilsons ausdrücklichen Wunsch hin wird seine Arbeit weder gefilmt noch anderweitig aufgenommen, um die vergängliche Natur des gesprochenen Wortes zu bewahren.

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Die KW heben den Stellenwert Wilsons für ihr Programm mit einer Einzelausstellung im Frühjahr 2017 hervor, die eine neu in Auftrag gegebene und angekaufte Arbeit namens Discussion (KW)miteinschließt. Diese Diskussion, basierend auf dem Thema des „Absoluten in der Kunst“, fand im Mai 2017 in den KW mit dem Künstler, dem Direktor und Mitgliedern des gegenwärtigen Teams der KW statt.

 

Richard Frater

Fall, 2017–fortlaufend

 

Dach der Ausstellungshalle

 

Foto: Frank Sperling

 

Der in Berlin lebende Künstler Richard Frater hat auf dem Dach der Ausstellungshalle der KW einen Garten eingerichtet, der sich aus wilden Blumen, Sukkulenten und vom Aussterben bedrohten lokalen Pflanzen zusammenfügt. Obwohl der Garten von einzelnen Ausstellungsräumen aus sichtbar ist, wurde er nie als Teil der Institution gedacht; er existierte lediglich als Nicht-Ort innerhalb des institutionellen Rahmens.

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Die KW heben den Stellenwert Wilsons für ihr Programm mit einer Einzelausstellung im Frühjahr 2017 hervor, die eine neu in Auftrag gegebene und angekaufte Arbeit namens Discussion (KW)miteinschließt. Diese Diskussion, basierend auf dem Thema des „Absoluten in der Kunst“, fand im Mai 2017 in den KW mit dem Künstler, dem Direktor und Mitgliedern des gegenwärtigen Teams der KW statt.