Kuratorische Einführung
Pause: Billy Bultheel & James Richards
Workers in Song
7.–9. Juni 2024

 

Kurator: Léon Kruijswijk

Kuratorische Assistenz: Nikolas Brummer

 

<p>Billy Bultheel & James Richards, <em>Workers in Song</em>, 2023. Video Still, Performance Dokumentation, WIELS, Brüssel. Courtesy die Künstler</p>

Billy Bultheel & James Richards, Workers in Song, 2023. Video Still, Performance Dokumentation, WIELS, Brüssel. Courtesy die Künstler

 

Workers in Song ist aus der Zusammenarbeit des Komponisten Billy Bultheel (geb. 1987, BE) und des bildenden Künstlers James Richards (geb. 1983, UK) entstanden. Beide zeichnen sich dadurch aus, dass sie über die Grenzen ihrer jeweiligen Disziplin hinausblicken. In ihrer Performance, die von der Geschichte der okkulten Fotografie und der Spektralmusik geprägt ist, kombinieren sie Film- und Musikaufnahmen aus dem Archiv mit neu produziertem Film- und Tonmaterial. Sie verweisen darin immer wieder auf eigene frühere Arbeiten, aber auch auf alltägliche Vorgänge wie online Hook-Ups, auf Subkulturen vergangener Zeiten und auf die dunklen Seiten romantischer Subjektivität. Workers in Song stellt die Abgrenzung zwischen Liveauftritt und Aufzeichnung ebenso in Frage wie jene zwischen Anwesenheit und Abwesenheit, zwischen Erinnerungen, geisterhaften Erscheinungen und dem in Archiven Überlieferten.

Die Performance ist modular und ohne feststehendes Ende konzipiert. Workers in Song funktioniert wie ein sich ständig fortentwickelnder Organismus, der sich auf den spezifischen Kontext der jeweiligen Aufführung einstellt. Die in den KW gezeigte Version passt sich der weitläufigen Haupthalle an und spielt mit den Besonderheiten, die diese vom beliebig austauschbaren White Cube unterscheiden. Inspiriert von der Anfangszeit des Kinos, als Stummfilmvorführungen mit Livemusik unterlegt waren, und von zeitgenössischen Formaten wie Mixtapes oder Expanded-Cinema-Events, präsentieren Bultheel und Richards eine dynamische Musik, die zum Rahmen performativer und filmischer Ereignisse wird. Das eigens produzierte Musik- und Filmmaterial versetzt die Zuschauer*innen in nächtliche Landschaften und dystopisch-postindustrielle Innenräume. Diese werden in den Dialog mit Gedichten, Filmen und Musikstücken anderer Künstler*innen gebracht, ohne dass sie dabei an Eigenständigkeit verlieren. Damit legen die Künstler zugleich die von ihnen geschätzten und sie prägenden Bezugspunkte und Inspirationsquellen offen.

 

Workers in Song zerlegt das nahtlos und homogen scheinende Gefüge des Kinos und des Kammerkonzerts in seine Einzelteile und verwandelt sich in einen musikalischen Frankenstein. Die episodische Struktur des Werks lädt das Publikum dazu ein, eigene Erfahrungen einzubringen und die verschiedenen Puzzleteile miteinander zu verbinden, wobei jedes Element die eigene Wahrnehmung trüben und verwischen kann. Viele der Bestandteile sind außerordentlich gefühlsbetont und zugleich grob verzerrend. Sie erinnern immer wieder an die durchlässigen Grenzen zwischen innen und außen, zwischen dem Selbst und den Anderen sowie zwischen dem Körper und der Welt.

 

James Richards lebt und arbeitet in Berlin und London. Er forscht zu Themen wie Besessenheit, Begehren und Technologie unter anderem durch Archivrecherchen, die Auseinandersetzung mit vorgefundenem Filmmaterial und umfangreiche Kooperationen. In seinen Arbeiten setzt er sich mit der unaufhaltsamen Bilderflut des 21. Jahrhunderts auseinander und schafft einen Raum, in dem persönliche Politik und digitale Materialität aufeinandertreffen.

Die jüngsten Einzelausstellungen des Künstlers waren Internal Litter, Galerie Isabella Bortolozzi, Berlin (2022); When We Were Monsters, Haus Mödrath, Kerpen (2021); Alms for the Birds, Castello di Rivoli, Turin (2020); SPEED 2, Malmö Konsthall (2019), und SPEED, Künstlerhaus Stuttgart (2018). Zu seinen Gruppenausstellungen gehören Penumbra, Fondazione In Between Art Film, Venedig (2022); The Botanical Mind, Camden Art Centre, London (2020); die Whitney Biennale, New York (2017), und Less Than Zero, Walker Art Center, Minneapolis (2016). Im Jahr 2017 vertrat Richards Wales auf der 57. Biennale von Venedig mit der Ausstellung Music for the Gift; 2024 erhielt er den Preis der Nationalgalerie Berlin.

 

Billy Bultheel lebt und arbeitet in Berlin und Brüssel. Seine Arbeit als experimenteller Komponist und Performancekünstler verbindet zeitgenössische Komposition mit Techniken und Traditionen aus der polyphonen Musik des europäischen Mittelalters und der Renaissance. Seine Musik realisiert er in Performances und Installationen, die häufig ortsspezifisch sind und die Beschränkungen des Konzertsaals hinter sich lassen, um ein neues Terrain für musikalische Erfahrungen zu erschließen. Musiker*innen werden bei ihm zu Performer*innen, die sich durch Klanglandschaften bewegen und mit Architektur, Skulpturen und maßgefertigten Instrumenten interagieren.

Zu den jüngsten Projekten des Künstlers gehören The Thiefʼs Journal, Berlin Atonal (2023); Workers in Song, WIELS, Brüssel (2023); Mt. Analogue, Bourse de Commerce – Pinault Collection, Paris (2023); Athens Songs I–IV, 7. Athens Biennale, Athen (2021); UNTER, Schinkel Pavillon, Berlin (2021); Songs for the Contract, folia.app (2021); The Minutes of Olomouc, PAF, Olomouc (2020), und When Doves Cry, Schinkel Pavillon Berlin (2019). Bultheel studierte Komposition am Institut für Sonologie in Den Haag, Niederlande, sowie Performance und Choreografie am Institut für Angewandte Theaterwissenschaft in Gießen.

 

Die Pause-Reihe der KW ermöglicht eine kurze, tiefe Auseinandersetzung mit einzelnen künstlerischen Positionen, um Verbindungen zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft aufzuzeigen und zu hinterfragen.

 

Mitwirkende Performance

Künstler/Regisseure/Produzenten: Billy Bultheel & James Richards

Performer*innen: Alexey Kokhanov (Stimme, Klavier), Adam Sinclaire (Flöte), Alina Anufrienko (Cello), Clara Levy (Violine), Julie Michael (Viola)

Tontechniker: Christophe Albertijn, Francisco Petrucci

Kurator: Léon Kruijswijk

Kuratorische Assistenz: Nikolas Brummer

 

Mitwirkende Film

Filmaufnahmen von Auftritten: Sebastian de la Cour (Bariton), Sara Neidorf (Perkussion), Adam Sinclaire (Flöte)

Kamera: Tom Rosenberg

Zweite Kamera: Milan Daemgen

Tontechnikerin: Simone Antonioni

Sound Design: Max Bloching

Key grip: Braden Harris

Produktionsassistentinnen: Lea Hopp, Sinaida Michalskaja

Locations: anorak, bplus.xyz, Berlin

Produktionsleiterin: Johanna Markert

 

Mitwirkende KW

Produktionsleiter: Mathias Wölfing

Technische Leitung: Wilken Schade

Leiter Installations- und Medientechnik: Markus Krieger

Installation: KW Installationsteam

Presse und Kommunikation: Anna Falck-Ytter, Marie Kube, Luisa Schmoock

Text: Billy Bultheel, Léon Kruijswijk, James Richards

Lektorat und Übersetzung: Simon Wolff, Sylvia Zirden, Georg Hiller von Gaertringen

Grafikdesign: Marc Hollenstein

Praktikant**innen: Alena Beyer, Swantje Eden, Pauline Jacobs, Salome Klotz, Robin Schmitt, Mattis Thomsen

AV: Eidotech, WEMME Events

 

 

Wir danken dem Estate of Warren Sonbert and Gartenberg Media Enterprises für die Erlaubnis zur Vorführung eines Werkes von Warren Sonbert.

 

Eine gemeinsame Auftragsarbeit des WIELS Centre for Contemporary Art, des Batalha Centro de Cinema, des Mudam Luxembourg – Musée d’Art Moderne Grand-Duc Jean und der KW Institute for Contemporary Art.

 

 

 

 

 

Gefördert durch die Regierung von Flandern

 

 

 

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