Kuratorischer Text
Miloš Trakilović
Not a Love Song
15. Februar – 4. Mai 25
Kurator*innen: Emma Enderby, Léon Kruijswijk
Assistenzkuratorin: Linda Franken
Not a Love Song ist die erste institutionelle Einzelausstellung des bosnisch-niederländischen, in Berlin und Amsterdam lebenden Künstlers Miloš Trakilović (* 1989, BA) in Deutschland. Trakilović arbeitet mit zeitbasierten Medien und Installationen und untersucht, wie technischer Fortschritt und Digitalisierung unsere Wahrnehmung beeinflussen. Dabei setzt er sich oft mit zeitgenössischen Formen der Kriegsführung, deren medialer Darstellung und ihren langfristigen Folgen auseinander. In den KW präsentiert Trakilović eine ortsspezifische Adaption seiner jüngsten Installation 564 Tracks (Not a Love Song Is Usually a Love Song), für die er mit Hilfe Künstlicher Intelligenz (KI) die jüngere Vergangenheit betrachtet. KI ist sicherlich die bestimmende Technologie der Gegenwart und nahen Zukunft. Mithilfe von Algorithmen berechnet sie aus vorhandenen Informationen mögliche Folgen und sagt künftige Wahrscheinlichkeiten vorher, indem sie Entsprechungen zwischen Mustern erkennt. Heute die Zukunft durch KI zu sehen, heißt, mit Daten aus der Vergangenheit und Gegenwart zu arbeiten.
Miloš Trakilović, 564 Tracks (Not a Love Song Is Usually a Love Song), 2024, Mixed Media. Foto: Sander van Wettum.
Als im November 1989 in Berlin die Mauer fiel, war der Krieg in Bosnien (1992–1995), der zur massenhaften Vertreibung und zum Völkermord an Tausenden bosnischen Muslimen führen sollte, noch nicht ausgebrochen. Allerdings waren die Spannungen, die letztlich zum gewaltsamen Zerfall Jugoslawiens führten, damals bereits spürbar. Für 564 Tracks untersucht Miloš Trakilović jugoslawische Musik aus den drei Jahren vor dem Kriegsausbruch in Bosnien. Um in dieser Musik aus der Zeit zwischen 1989 und 1992 vergleichbare Tonalitäten zu erkennen, fütterte der Künstler ein KI-Modell mit in Kriegsgebieten aufgenommenem Tonmaterial und schuf damit eine aus 564 Musikstücken generierte Klangbibliothek. In der Ausstellung schreibt ein zweites KI-Modell diese extrahierten Klänge um, entlang melodischer Strukturen, wie sie sich gemeinhin in Liebesliedern finden, und schafft damit eine sich ständig wandelnde Partitur. Begleitet wird dieses „unsingbare“ Liebeslied durch live geschaffene, halluzinatorische Visuals, die unmittelbar auf den Klang reagieren. Der Gedanke von Kontinuität zeigt sich auch in der räumlichen Installation. Verkohlte Gegenstände rufen eine dystopische Stimmung hervor – ein verlassenes Produktionsstudio, in dem wohl einst Geschäftigkeit herrschte.
Miloš Trakilović, 564 Tracks (Not a Love Song Is Usually a Love Song), 2024, Mixed Media. Foto: Meinke Klein.
Mit 564 Tracks fragt Trakilović, inwieweit die wachsenden politischen Spannungen jener Zeit in der Musik Resonanz fanden. Zeichnete sich die kommende Katastrophe klanglich bereits ab? Hätte der Krieg also in der Musik vorhergesagt werden können? Die Arbeit erkundet, inwieweit Gesellschaften – vielleicht unbewusst – kommende Konflikte erahnen können, und schafft aus einem auditiven Sozialmilieu aus Vorkriegszeiten eine Komposition, die noch die Gegenwart heimsucht. Die Arbeit reflektiert, inwieweit kulturelle Produktion auf bevorstehende Krisen hindeuten könnte und bietet einen Ansatzpunkt, über vergangene wie gegenwärtige Konflikte und deren anhaltendes Echo nachzudenken.
Miloš Trakilović, Porträt, Foto: Meinke Klein.
Biografie
Miloš Trakilović ist ein bosnisch-niederländischer Künstler (* 1989, BA). Er erhielt einen BFA und einen MFA von der Universität der Künste in Berlin, wo er in Experimentalfilm und Neuer Medienkunst graduierte. Seine Arbeit dreht sich um die Politik der Wahrnehmung und erforscht Fragen von Zerfall, Fragmentierung, Erinnerung und Verlust. Sein aktuelles Interesse gilt der Rolle des Sehens in der Konstruktion von Bedeutung und der Produktion von Macht nach dem digitalen Wandel. Trakilovićs Arbeit beschäftigt sich in erster Linie mit digitalen und zeitbasierten Medien, wobei Film, Video und Installation zentrale Elemente darstellen.
Impressum
Kurator*in: Emma Enderby, Léon Kruijswijk
Assistenzkuratorin: Linda Franken
Produktionsleitung: Claire Spilker
Technische Leitung: Wilken Schade
Leitung Aufbauteam, Medientechnik: Markus Krieger
Aufbau: KW Aufbauteam
Live Programmer: Nikolas Brummer
Registrarin: Bryn Veditz
Leitung Presse und Kommunikation: Marie Kube
Leitung Presse und Marketing: Anna Falck-Ytter
Online Kommunikation und Online Marketing: Haja Camara
Studentische Assistenz Kommunikation: Isabella de Arruda Ilg
Leitung Vermittlung: Alexia Manzano
Text und Redaktion: Léon Kruijswijk, Linda Franken
Übersetzung und Lektorat: Georg und Katrin Hiller von Gaertringen, Sabine Wolf, Simon Wolff
Wissenschaftliches Volontariat: Aykon Süslü
Praktikant*innen: Kimia Godarzani-Bakhtiari, Louison Jenkins, Joséphine Richard, Guilherme Vilhena Martins, Yicheng Xie
Unterstützt von
