Online-Gespräch:
KW Production Series 2020:
Onyeka Igwe und
Ariella Aïsha Azoulay

 

17. Dezember 20, 19 Uhr
In englischer Sprache (automatische Live-Transkription auch über Otter.Ai verfügbar)

 

Das Online-Gespräch findet über Zoom statt:

https://us02web.zoom.us/webinar/register/WN_vsECDqsqQh6BuN1gls1f0A

 

<p>Onyeka Igwe, <em>A So-Called Archive</em>, 2020, Video, Auftragsarbeit der KW Institute for Contemporary Art, Berlin; Plug-In ICA, Winnipeg und Mercer Union, Toronto; mit Unterstützung der Julia Stoschek Collection und OUTSET Germany_Switzerland, Courtesy die Künstlerin</p>

Onyeka Igwe, A So-Called Archive, 2020, Video, Auftragsarbeit der KW Institute for Contemporary Art, Berlin; Plug-In ICA, Winnipeg und Mercer Union, Toronto; mit Unterstützung der Julia Stoschek Collection und OUTSET Germany_Switzerland, Courtesy die Künstlerin

 

Anlässlich der Premiere von Onyeka Igwes neuem Film A So-Called Archive präsentieren die KW Production Series ein Gespräch zwischen Igwe und der Historikerin Ariella Aïsha Azoulay über die Rolle kultureller Produktion und deren Beziehung zu imperialen Wissensgrundlagen wie dem Dokument, Archiv und dem Museum. Während der Produktion ihres neuen Films wurde Azoulays Buch Potential History: Unlearning Imperialism (Verso, 2019) für Onyeka Igwes Forschungen zu einem Schlüsseltext: Es versucht Museumsapparate und Archive als Zeit, Raum und Politik ordnende Institutionen zu entlarven, die ein bestimmtes Narrativ vorzugeben vermögen. Die Veranstaltung betrachtet Azoulays Schrift und Igwes Film als wechselseitige Diskurse, die uns aufzeigen, wie wir die Vergangenheit betrachten und ihr Vergessen aktiv üben können.

 

Mit gleichsam forensischer Linse untersucht Onyeka Igwes A So-Called Archive (dt. ein sogenanntes Archiv) die sich zersetzenden Lager des Britischen Empire. In dem Film werden Aufnahmen, die im vergangenen Jahr in zwei unterschiedlichen kolonialen Archivgebäuden gemacht wurden – eines in Lagos, Nigeria und das andere in Bristol, Großbritannien – miteinander zu einem Doppelporträt verwoben. Dabei werden die „akustischen Schatten“ der kolonialen Aufnahmen betrachtet, die trotz ihres schwindenden Andenkens und ihrer Materialien noch immer erzeugt werden. Igwes Film imaginiert, was aus diesen Archiven „verloren“ gegangen sein könnte. Dabei vermischt die Künstlerin die Genres von Hörspiel, Corporate Video-Touren und des „Detective Noir“ mit einer eindringlichen und kritischen Annäherung an den Schrecken der Entdeckung.

 

In Lagos war die ehemalige Nigerian Film Unit ansässig, eine der ersten selbstgesteuerten Außenstellen der britischen, visuellen Propagandamaschine Colonial Film Unit (1932–1955). A So-Called Archive dokumentiert ein Gebäude, dessen Inhalte weitestgehend entleert wurden: Verwahrloste Räume beherbergen heute Staub, Spinnweben, stehengebliebene Uhren und rostige und verrottende Zelluloidfilmdosen. Nicht nur wegen ihres Zustands, vielleicht auch, weil die Menschen sie nicht sehen wollen, ist es kein leichtes Unterfangen, die in dem Gebäude gefundenen Filme zu sichten. Zur gleichen Zeit war in dem von Siambard Kingdom Brunel entworfenen Bahnhof Bristol Temple Meads das ehemalige British Empire and Commonwealth Museum (2002–2009) untergebracht. Die umfassenden Foto-, Film-, Ton- und Objektsammlungen wurden in den Kolonien des ehemaligen Britischen Empire zusammengetragen. Wie die Nigerian Film Unit wurde auch dieses Museum geschlossen, kurz nachdem Vorwürfe über den illegalen Verkauf mehrerer Gegenstände erhoben wurden.

 

A So-Called Archive stellt diese ehemaligen „Schatzkammern“ mit ihren Verwahrungsgeschichten zusammen, der Monetisierung, der Dokumentation und nun auch des Verlassenseins als Metonyme für die andauernden Verstrickungen zwischen Vereinigtem Königreich und dessen ehemaligen Kolonien. Diese Stätten waren und sind noch immer Heimstatt purulenter Bilder, die wir nicht zu sehen vermögen.

 

Ariella Aïsha Azoulay lehrt politisches Denken und visuelle Kulturen an der Brown University, Providence (US).

 

Onyeka Igwe ist Künstlerin, Filmemacherin, Programmiererin und Forscherin und lebt derzeit in London. In ihrer non-fiktionalen Videoarbeit verwendet Igwe Tanz, Stimme, Archiv und Text, um eine Vielzahl von Narrationen freizulegen. Ihre Arbeit untersucht den physischen Körper und den geografischen Raum als Ort kultureller und politischer Relevanz. Igwes Videoarbeiten wurden im Institute of Contemporary Arts, London, 2017; bei Dhaka Art Summit, 2020 und auf internationalen Filmfestivals gezeigt, darunter dem London Film Festival, 2015; Rotterdam International (NL), 2018, 2019 und 2020; Edinburgh Artist Moving Image (GB), 2016; Images Festival, Toronto (CA), 2019 und dem Smithsonian African American Film Festival, Washington, D.C., 2018. Zu Igwes Einzelprojekten gehören Corrections mit Aliya Pabani, Trinity Square Video, Toronto (CA), 2018 und There Were Two Brothers, Jerwood Arts London, 2019. Zu ihren aktuelleren Gruppenprojekten gehören [POST] Colonial Bodies 2, CC Matienzo, Buenos Aires, 2019; there’s something in the conversation that is more interesting than the finality of (a title), The Showroom, London, 2018; World Cup!, articule, Montreal, 2018; Arguments, Cordova, Wien, 2017 und Multiplex, Nuit Blanche, Toronto, 2016. 2020 wurde Igwe mit dem Arts Foundation Futures Award im Bereich experimenteller Kurzfilm ausgezeichnet und erhielt 2019 den Berwick New Cinema Award.

 

 

In Zusammenarbeit mit der Julia Stoschek Collection und OUTSET Germany_Switzerland widmen sich die KW Production Series anhand zweier Neuproduktionen pro Jahr dem künstlerischen Bewegtbild. Das Projekt ist inspiriert von den Gründungsprinzipien der KW als einem Ort für Produktion, Reflexion und kritischen Austausch. Die KW Production Series setzen sich zum Ziel, ausgewählte Künstler*innen zu unterstützen, deren Arbeit und Karriere sich vor einem wegweisenden Durchbruch befinden und die nicht nur von der finanziellen Unterstützung und dem institutionellen Renommee profitieren, sondern dieses Format auch nutzen, um den Tiefe- und Schärfegrad ihrer künstlerischen Arbeit maßgeblich und nachhaltig zu modifizieren.

 

 

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<p>Die KW Production Series werden kuratiert und organisiert von Mason Leaver-Yap, Assoziierte*r Kurator*in der KW und mit großzügiger Unterstützung der Julia Stoschek Collection und OUTSET Germany_Switzerland ermöglicht.</p>

 

 

Die KW Production Series werden kuratiert und organisiert von Mason Leaver-Yap, Assoziierte*r Kurator*in der KW und mit großzügiger Unterstützung der Julia Stoschek Collection und OUTSET Germany_Switzerland ermöglicht.