Orpheus and the Technocave

 

Vortrag + Klangantwort mit Kurator Nadim Samman und Techno-Produzent Inland (Ed Davenport)

 

Dokumentation der Veranstaltung im Prince Charles, Berlin; © KW Institute for Contemporary Art; Video: Frank Sperling

 

Wir sind alle Teil des Ganzen, aber wie? Das Leben spielt sich heutzutage in einer verwirrenden technologischen Landschaft ab. Eine menschengemachte Megastruktur von fast unvorstellbarer Komplexität und Größe umgibt uns und scheint keinen Ausweg zu bieten. Wie können die Koordinaten eines menschlichen Abbildes oder Agency in ihr bestimmt werden? Kann das Eingefangene befreit werden? Solche Fragen liegen einer Reihe von Kunstwerken zugrunde, die sich mit Verlust (oder der Wiederherstellung des Selbst und von Wissen) im Technozän beschäftigen. Vorwärtsgerichtet in ihrer Agenda rufen sie zugleich mythische Tropen auf, um auszumessen, was auf dem Spiel steht.

 

Rechtzeitig zu Halloween begibt sich Nadim Sammans Vortrag in die Hölle und zeichnet einen orpheischen Paradigmenwechsel in der Kunst nach, der sich institutionelle Kritik zum Gegenstand macht. Der Orpheus-Mythos erzählt von einem Sänger und Dichter, der mithilfe seiner Musik in die Unterwelt hinabsteigt, um seine ihm entrissene Ehefrau zurückzuholen. In der frühen Neuzeit lag der Mythos der Vorstellung zugrunde, der Künstler könne auf der Suche nach Wissen zwischen den Welten wandeln. Heutige orpheische Reisen lassen die Struktur der Suche zum Vorschein treten: Die Schwierigkeit, seinen eigenen Weg zu finden, falsch oder richtig abzubiegen, Zäune einzureißen, Schlösser aufzubrechen und durch Löcher zu kriechen – tiefer in die Megastruktur einzudringen, um sie hinter sich zu lassen.

 

Der Technoproduzent und Experimentalkomponist Inland wird im Dialog mit Nadim Samman akustisch auf den Vortrag antworten und dabei dessen menschliche Stimme, Rhythmus und Argumentationslinie in einem digitalen Klangumfeld, das seine eigene Wahrheit sucht, neu verorten.

 

 

Inland (Ed Davenport) ist ein britischer Produzent und DJ. Er ist Gründer des Berliner Labels Counterchange Recordings. Seine puristischen, progressiven Arbeiten sind in der romantischen Tradition des frühen Technos verwurzelt und erkunden dennoch stets neue Wege, Texturen und Studiotechniken. Bekanntheit erlangte er durch seine detailverliebten und explorativen Techno-Releases auf Counterchange, Infrastructure und anderen Labels. Im September 2018 erschien seine Debüt-LP im Ostgut Ton Sub-Label A-TON. In den vergangenen Jahren kollaborierte Davenport für Soundtracks mit Künstler*innen wie Julian Charrière und Wermke / Leinkauf.

 

Nadim Samman, Ph.D., ist Kurator für den digitalen Raum in den KW Institute for Contemporary Art. In seiner neugeschaffenen Rolle wird Samman für die KW die politischen und sozialen Dimensionen digitaler Systeme durch subversive und kreative Interventionen kritisch untersuchen. Orpheus and the Technocave ist die erste Veranstaltung im Rahmen seiner kuratorischen Praxis in den KW.