Productions 6

 

 

21. Juli – 15. September 02

 

Mit Gianni Motti beginnt innerhalb der Ausstellungsreihe Produktionen die Auseinandersetzung mit dem Konzept des Territoriums. Gianni Mottis Arbeiten verfolgen eine Strategie der Deterritorialisierung, einer Auflösung der territorialen Kategorien durch die systematische Verletzung deren Grenzen. Die Ökonomie der Bilder als Thema der vorangegangenen Produktionen-Ausstellungen wird dabei fortgeführt und weiterentwickelt.

Territorien sind Gebiete, die sich über natürliche oder artifizielle Grenzen definieren. Dem Begriff Territorium als materieller Realität steht seine metaphorische Verwendung gegenüber, die nicht an materielle Gebiete gebundene Einflußzonen oder spezifische, auch imaginäre Felder bezeichnet. Während klassische Territorien im Zuge der Globalisierung und der Krise der Nationalstaaten zunehmend obsolet werden, werden die globalen Einflußzonen, die sich auf soziale, vorrangig immaterielle und unsichtbare Grenzen beziehen, immer augenscheinlicher. Diese Einflußzonen und ihre Mechanismen der Ein- und Ausgrenzung rücken als Realitäten immer mehr in den Vordergrund.

Gianni Mottis Serie Collateral Damage besteht aus 10 Landschaftsfotografien, auf denen zwischen Häusern und blühenden Obstbäumen Rauchsäulen zu sehen sind. Die Fotografien werden ohne Erklärung, ohne dazugehörige Erzählung präsentiert. Es handelt sich um Fotografien, die der Künstler von einer Agentur erworben hat. Sie zeigen Rauchsäulen von Granaten und Bomben der Kriege im Kosovo, Mazedonien und in Palästina, waren aber als Pressefotografien ungeeignet und blieben somit ungenutzt. Dem in den Bildern dokumentierten territorialen Konflikten setzt Gianni Motti den Krieg der Bilder entgegen, der immer auch ein rhetorisch geführter Krieg der Worte ist. Durch das Fehlen des Kommentars fallen die Bilder in einen sinnfreien, ästhetischen Raum und entbehren optisch der Tragik der repräsentierten Konflikte. Die Bilder des Krieges werden so als rhetorische Gesten erkennbar, die Gianni Motti aus ihrem medialen Kontext löst und, da es sich um "untaugliche" Bilder handelt, zweifach auf ihre Eigenaussage überprüft. Die "Sprachkonvention" medialer Bilderpolitik wird als eigenes Territorium herrausgestellt, dessen Grenzen klar erkennbar werden. Das offensichtliche Schweigen dieser Bilder verweist auf die Notwendigkeit eines vorher vorhandenen Entschlüsselungscodes .

Die zweite Arbeit Tranquility Base ist eine originalgetreue Replik der amerikanischen Flagge auf dem Mond. Auch hier wird ein territorialer Anspruch in Bezug gesetzt zu einer medial-rhetorischen Aussage. Das Ready-Made reformuliert eine Geste symbolischer Politik. Auf das tatsächliche Stattfinden des Ereignisses kommt es dabei nicht mehr an - durch die mediale Konstruktion wird die Geste Wirklichkeit im Sinne eines durchsetzbaren territorialen Anspruchs.

Die Arbeit Big Crunch Clockführt in diese Szenarien die zeitliche Dimension ein: Auf der Uhr läuft der Countdown von rund 5 Milliarden Jahren bis zum Ende des Universums und der Auslöschung aller Territorien .

Die Ausstellungsreihe Produktionen wird von Arte Fiera Bologna gefördert.