Abendschule - Vergleichendes Sehen. Heute (II)

 

 

8. Dezember 09

 

 

Abendschule
Vergleichendes Sehen. Heute
Di + Do, 19 – 20.30 Uhr

Vergleichend zu sehen bedeutet dialogisch wahrzunehmen, sinnlich zu erfassen und visuell zu denken. Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelte der schweizer Kunsthistoriker Heinrich Wölfflin das Vergleichende Sehen als kunsthistorische Praxis. Erstmals wurden Abbilder von Kunstwerken in einem dunklen Raum von zwei Diaprojektoren nebeneinander an die Wand geworfen. Die seinerzeit revolutionäre Herangehensweise ist, trotz PowerPoint, bis heute gängige Methode in der Kunstgeschichte. Die Abendschule holt nun diese wissenschaftliche Praktik in den Ausstellungskontext, befreit sie vom doktrinären Gebrauch und stellt die Vorgehensweise in Frage. Sie fordert zu unerwarteten Versuchsanordnungen auf und gibt Raum für die Methodik stützende oder stürzende Vergleiche.

II.
Mona Schieren: Raster rastern
Jan Verwoert: Motifs of Motion: Lies, Games, Creatures, God, Irony
19 Uhr

Mona Schieren: Raster rastern
Rastern ist wie das vergleichende Sehen eine analytische Kulturtechnik. Es kann sowohl als Repräsentationsverfahren wie auch als Realitätsgebungsverfahren bezeichnet werden. Beide strukturieren und lenken sie Wahrnehmungen. Die amerikanische Theoretikerin Rosalind Krauss bezeichnet das Raster als Emblem der Moderne, weil es in der Kunst seit 1920 allgegenwärtig ist, während es in den vorhergehenden Jahrhunderten vor allem in den Natur- und Humanwissenschaften sowie in der Kriminologie zu finden war. In dem Vortrag soll der doppelten Aufladung des Rasters als rational und spirituell nachgegangen werden – bei Carl André, Robert Ryman, Ad Reinhardt, Agnes Martin sowie aktuellen Positionen von Katharina Hinsberg und Raster Noton. Im Visier stehen also Kunst und Kriminalität, Anthropologie und Abweichung.

Mona Schieren studierte Kunstgeschichte in Hamburg und Nizza. Nach Projekten in Antibes und Rom ist sie seit 2002 wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Hochschule für Künste Bremen, an der sie lehrt und das Forschungsprojekt iMediathek leitete. Weiterhin unterrichtete sie am Fachbereich „Kulturgeschichte“ der Universität Hamburg. Ihre jüngste Veröffentlichung ist Not Berlin and Not Shanghai. Art Practise on the Periphery (hg. mit Kirsten Einfeldt, Bielefeld 2009).

Jan Verwoert: Motifs of Motion: Lies, Games, Creatures, God, Irony
You put images side by side to look for motifs. As they reappear in different pictures, motifs show what they do: they slip from one image into others, they are in motion, they motivate change, they move you.
What moves people? In the games people play, lies are the key. Lies set things in motion. They arouse desire. They make the mind reel. They let you imagine things. Looking at the motif of the lie, we wonder: Why are true liars so irresistible?
And: Besides lies, what else is there to engender (e)motion? There is the animal. The animal is motion. It slips away. Following its traces, we sense: God is an animal. Alive and in motion, god remains a slippery allegory. But we feel it’s there, through empathy, telepathy and crucially: in irony.

Vortrag auf Englisch

Jan Verwoert ist Kunstkritiker und lebt in Berlin. Er schreibt regelmäßig für frieze, veröffentlicht in zahlreichen anderen Medien und lehrt am Piet Zwart Institut, Rotterdam.

Im Rahmen der Ausstellung For the Use of Those Who See 

Mit freundlicher Unterstützung der Schering Stiftung und des Hauptstadtkulturfonds, Berlin.

Herzlichen Dank an den Lette-Verein für die Bestuhlung.