Zeitgenössische Irakische Literatur. Lesungen und Gespräche – Carte Blanche für Banipal
19-22 Uhr
Zeitgenössische Irakische Literatur
Lesungen und Gespräche – Carte Blanche für Banipal
Mit Samuel Shimon, Fadhil Al-Azzawi, Shimon Ballas, Salima Salih und anderen.
Hommage an Samir Naqqash.
Vorstellung der Zeitschrift Banipal (Nr. 24, Ausgabe Winter 2005).
(in Arabischer und Deutscher Sprache mit Simultanübersetzung)
Im Rahmen von Contemporary Arab Representations: The Iraqi Equation
Die irakische Literaturszene des frühen 20. Jahrhunderts war modern und vielseitig. Der Irak war die Wiege der modernen arabischen Lyrik und die Heimat ihrer Vorreiter. Während Lyrik im Irak schon immer eine besondere Rolle gespielt hat, stammen auch einige der bekanntesten Kurzgeschichtenschreiber der arabischen Welt aus dem Irak. Die Literatur der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entwickelte sich weiter und erreichte einen kulturellen Höhepunkt in den 1960er und 70er Jahren, als faszinierende neue Richtungen und Namen aufkamen, die die Avantgarde des arabischen Literaturschaffens in Lyrik und Prosa darstellten. In den 1960er Jahren kam jedoch auch die Baa’th-Partei an die Macht; eine reiche Kulturtradition wurde systematisch zerstört und tausende Künstler und Schriftsteller wurden ins Exil getrieben oder eingekerkert. Während des Iran-Irak-Kriegs (1980-1988) war das gesamte Kulturspektrum auf Mobilisierung und Propaganda ausgerichtet. Eine der Auswirkungen von Kriegen und Zerstörungen ist der desolate Zustand der irakischen Literatur im Land selbst; paradoxerweise haben aber die vielen durch die Diktatur vertriebenen Schriftsteller und Dichter im Exil eine hochinteressante Kulturszene aufgebaut. Wie wird irakische Kultur in Zukunft aussehen? Welche Dynamik wird die Beziehung zwischen irakischer Literatur im Irak und im Exil entfalten? Welche Spannungen zeichnen sich bereits ab, und welche Folgen werden diese tatsächlichen oder imaginären Spaltungen haben?
Banipal wurde 1998 von Margaret Obank und dem irakischen Schriftsteller Samuel Shimon gegründet. In drei jährlichen Ausgaben werden Gedichte, Kurzgeschichten und Auszüge aus Romanen sowohl von etablierten wie auch neuen arabischen Schriftstellern und Dichtern auf Englisch veröffentlicht. Die Zeitschrift erscheint in Großbritannien.
Fadhil Al-Azzawi (*1940 in Kirkuk, IQ) studierte Englische Literatur an der Universität von Bagdad und Kulturjournalismus an der Universität Leipzig, wo er auch promovierte. 1969 gründete er Shi`r 69 (Lyrik 69), eine bedeutende Zeitschrift für avantgardistische Lyrik im Irak, die nach Erscheinen der vierten Ausgabe verboten wurde. Seine Gedichte und Kritiken werden seit den frühen 1960er Jahren in vielen arabischen Literaturmagazinen veröffentlicht. Zu seinen Büchern zählen The Beautiful Creatures of Fadhil Al-Azzawi (Bagdad 1969), Comedy of Ghosts (Köln, Beirut 1996), The Living Spirit – The 60th Generation in Iraq (Damaskus 1997), The Ancestors (Köln, Beirut 2002) sowie Gedichtsammlungen wie Miracle Maker (New York 2003). Zu seinen Übersetzungen vom Deutschen ins Arabische zählen Werke von Robert Musil, Hans Magnus Enzensberger, Christian Morgenstern und Tilman Spengler. Fadhil Al-Azzawi verließ den Irak 1977 und lebt seit 1983 in Berlin.
Shimon Ballas (*1930 in Bagdad) studierte Literatur in Tel Aviv und Paris und ist seit 1975 Professor für Arabische Literatur an der Universität in Haifa. Er arbeitete zunächst als Redakteur für irakische und ägyptische Zeitungen, bis er im Jahr 1951 nach Israel emigrierte. Dort war er bis 1961 für das Presseorgan der kommunistischen Partei Kol Haam tätig. Ballas hat zahlreiche Romane, Kurzgeschichten und Anthologien auf Hebräisch, Arabisch, Englisch und Französisch veröffentlicht, unter anderem The Transit Camp (Israel 1964), die Tel Aviv East-Trilogie (Tel Aviv 2003) und Creators and Renovators (Köln 2003). Shimon Ballas lebt in Tel Aviv und Paris.
Salima Salih (*1942 in Mosul) ist Übersetzerin und Autorin von Kurzgeschichten. Sie studierte Jura an der Universität von Bagdad und Kunst am Institute of Arts in Bagdad. Im Jahr 1978 verließ sie den Irak und studierte Publizistik an der Universität von Leipzig. Sie hat zahlreiche Beiträge in verschiedenen arabischen Zeitschriften wie z.B. Banipal veröffentlicht. Unter anderen übersetzte sie Werke von Ingeborg Bachmann und Christa Wolf ins Arabische. Salima Salih lebt seit 1983 in Berlin.
Samuel Shimon (*1956 in Al-Habbaniyah, IQ) ist Journalist, Schriftsteller und Kulturredakteur. Er war für die Entwicklung und redaktionelle Betreuung mehrerer arabischer Zeitungen verantwortlich und hat Kurzgeschichten und Gedichte verfasst. Darüber hinaus ist er Mitbegründer und Mitherausgeber von Banipal, einer in London erscheinenden Zeitschrift für moderne arabische Literatur in englischer Sprache. Samuel Shimon veröffentlichte kürzlich seine Autobiografie An Iraqi in Paris (London 2005). Er lebt und arbeitet in London.
Samir Naqqash (*1938 in Bagdad, gest. 2004 in Petah Tiqva, IL) war einer der bedeutendsten jüdischen Schriftsteller in Israel, der sich weiterhin der arabischen Sprache bediente. Der gebürtige Bagdader lebte in Teheran, Bombay und Istanbul und später in Petah Tiqva in Israel. Als Autor von Romanen, Kurzgeschichten und Theaterstücken schuf er bemerkenswert dichte und innovative Werke. Naqqashs Leben und Werk bezeugen seinen stetigen Widerstand gegen den massiven Assimilierungsdruck, dem Juden aus der arabischen Welt in Israel ausgesetzt waren.
Contemporary Arab Representations: The Iraqi Equation ist ein Projekt von Catherine David, organisiert und produziert von den KW Institute for Contemporary Art und der Fundació Antoni Tàpies, Barcelona in Kooperation mit Arteleku-Diputación Foral de Gipuzkoa und der Universidad Internacional de Andalucía-UNIA arteypensamiento. The Iraqi Equation wird gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes und das Ministerio de Cultura de España. Mit zusätzlicher Unterstützung von Juan Lucas Young / sauerbruch hutton architects, dem Al-Kamel Verlag, Schiler Verlag und dem Banipal magazine. The Iraqi Equation ist Teil der Contemporary Arab Representations, einem Langzeitprojekt von Catherine David, organisiert und produziert von der Fundació Antoni Tàpies, Barcelona, Arteleku-Diputación Foral de Gipuzkoa und der Universidad Internacional de Andalucía-UNIA arteypensamiento.
Catherine David (*1954 in Paris) ist zur Zeit Fellow der Kulturstiftung des Bundes am Wissenschaftskolleg zu Berlin.